Wie alles begann
Überliefert von einigen, die dabei gewesen sind - aufgeschrieben von Frank Plietz
Ein verheerender Weltkrieg war vorüber, die katastrophalen Folgen für die Verlierer in Deutschland noch lange spürbar.
Trotz oder gerade wegen anderer existentieller Sorgen traf sich in Wardenburg in den Tagen der Währungsreform eine Gruppe junger Männer mehr oder weniger regelmäßig, um sich vom schweren Alltag abzulenken und Fußball zu spielen. Eine ganze Reihe von ihnen hatte sich schon 1948 dem Turnverein angeschlossen und in blauen Hosen und weißen Hemden dem Ball nachgejagt. Zum Ende des Kriegsjahrzehnts existierten in Wardenburg so eine Herren-, eine Alt-Herren- und eine Jugendmannschaft. Als es dann im Turnverein um die angeblich hohen Kosten, die die Fußballer verursachten, mit dem Vorstand zu Differenzen kam, war dies die Geburtsstunde des VfR Wardenburg. Auf Initiative von Jan Fischbeck versammelten sich um diesen die späteren Gründungsmitglieder Heinrich Davids, Richard Hantel, Karl Oesterling, Erich Rohde und Walter Winter im kleinen Clubzimmer des Gasthofes Oeljen. Hier wurde die Idee geboren, sich vom Turnverein zu lösen und einen eigenen Club zu gründen.
So traf man sich am 1. März 1950 im Gasthof Oeljen, der später noch lange Vereinslokal blieb, zur ersten Generalversammlung des Vereins, um sich Satzung und Vorstand zu geben. Gespielt wurde damals auf dem Platz bei der Grundschule an der Litteler Straße. Bei Spitzenspielen konnte man 1000 und mehr Zuschauer begrüßen, die pro Kopf 10 Pfennig Eintritt zu zahlen hatten. Unvergessen aus dieser Zeit sind die zahlreichen Gastspiele des schon damals klassenhöheren VfB Oldenburg. Als "Gage" erhielten die Spieler des Gastes "Erbsensuppe satt". Als es darum ging, für den VfR durch die Gemeinde einen Rasenplatz anlegen zu lassen, erklärte die Verwaltung, dass man lieber Hafer einsäen wolle, weil dieser im Gegensatz zum Sport wenigstens Ertrag brächte.
Schon zu jener Zeit musste man zu Auswärtsspielen teilweise große Entfernungen - unter anderem bis nach Bad Zwischenahn - zurücklegen. Doch wer hatte damals schon einen fahrbaren Untersatz, da noch nicht einmal jeder ein Fahrrad besaß. Die heute wie damals pfiffigen Fußballer haben das Problem mit sechs Fahrrädern genauso einfach wie verblüffend gelöst: Ein Teil fuhr mit den Rädern vor, während der Rest zu Fuß folgte. An vereinbarter Stelle wurden die Fahrräder abgestellt, die Benutzer gingen zu Fuß weiter. Die, die zuerst per Pedes losgegangen waren, übernahmen die Fahrräder, überholten ihre Vorgänger und stellten ihrerseits die "Drahtesel" am nächsten verabredeten Ort ab. Und so ging es im Wechsel bis zum Ziel und wieder zurück.
Damals konnte es dann auch passieren, wie zum Beispiel an einem 1. Mai, dass es im Ort während eines Spiels brannte und die Spieler, die zugleich der Freiwilligen Feuerwehr angehörten, zum Löschen liefen. In diesem Zusammenhang hält sich hartnäckig das Gerücht, dass dabei auch einmal das Haus eines VfR Spielers in Flammen gestanden hat, wobei drei Trikotsätze verbrannt sein sollen, die dann aber von der Versicherungsgesellschaft ersetzt wurden. Danach will man erstmals den VfR in einheitlicher Sportkleidung gesehen haben.
Immer wieder berichten Fußball-Veteranen auch von einem denkwürdigen Punktspiel in dieser Epoche gegen den FC Rastede. Als Torwart kassierte Karl Oesterling bis zur Halbzeit zwei Tore zum 0:2 Pausenstand. So hieß es dann, "alles oder nichts" und H. Dahms ging ins Tor, während "Pike" Oesterling in den Sturm ging. Zum Ende hieß es 7:2 für den VfR Wardenburg. Siebenfacher (!) Torschütze war kein anderer als Karl Oesterling.
Gesellschaftlicher Höhepunkt waren bis in die Mitte der 50er Jahre die Vereinsfahrten mit Bus ins hessische Dagobertshausen, dem Geburtsort von K. Oesterling. Hier trat man in Ermangelung eines Fußballclubs gegen die heimische Handballmannschaft an, eine Halbzeit wurde Handball, eine Halbzeit Fußball gespielt. Aber schon in dieser schweren Zeit war der Verein von einer Krise überschattet, die seine Existenz bedrohte. Eines Tages war die Vereinskasse mit dem gesamten Vereinsvermögen in Höhe von 60,- DM ebenso unauffindbar wie einzelne Vorstandsmitglieder. Sie blieb auch verschwunden. Als eine aus diesem Anlass einberufene außerordentliche Mitgliederversammlung keinen funktionierenden Vorstand installieren konnte, schienen die Tage des VfR Wardenburg gezählt.
Dankenswerterweise übernahm in dieser Situation dann Karl Oesterling die Verantwortung bis zur nächsten ordentlichen Generalversammlung. Er verkörperte in Personalunion den gesamten Vorstand und hat aus Mutter's Haushaltskasse pfennigweise Geld stibitzt, um das Porto für die Vereinspost begleichen zu können (6 Pfennige kostete damals das Briefporto).
Insgesamt eine recht bewegte Vereinsvergangenheit, die allerdings mit diesem Ereignis als bewältigt gilt.